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Nobelpreisträger Medizin

Otto F. Meyerhof, Bert Sakamann, Harald zur Hausen

Nobelpreisträger für Medizin

Otto F. Meyerhof, Bert Sakamann, Harald zur Hausen

Der Nobelpreis wird seit dem Jahr 1901 verliehen. Er gilt als weltweit höchste Auszeichnung für  Wissenschaftler aus den Gebieten Physik, Chemie, Physiologie oder Medizin, sowie für Literatur und Frieden. Stifter des Preises ist der Schwede Alfred Nobel.

Mit der Erfindung des Dynamits zu großem Reichtum gelangt, verfügt Nobel 1895 in seinem Testament, dass fast sein gesamtes Vermögen in einen Fonds fließt „dessen Zinsen jährlich als Preis an diejenigen ausgeteilt werden sollen, die im vergangenen Jahr der Menschheit den größten Nutzen erbracht haben.“ Nobel erklärt weiter, es sei sein ausdrücklicher Wille, dass der Würdigste den Preis erhält, gleich welcher Nationalität.

In jedem Jahr findet am 10. Dezember, Nobels Todestag, die feierliche Preisverleihung in Stockholm und Oslo (Friedensnobelpreis) statt.

Wir können stolz darauf sein, dass auch unsere Region zahlreiche Nobelpreisträger hervorgebracht hat. In der Kategorie Physiologie oder Medizin sind das:

  • Otto F. Meyerhof für seine Forschungen über den Stoffwechsel in Muskeln (1922).
  • Bert Sakmann für den Nachweis von Ionenkanälen in Zellmembranen und Erforschung der Signalübertragung innerhalb von Zellen und zwischen Zellen (1991).
  • Harald zur Hausen für den Nachweis, dass humane Papillomviren Gebärmutterhalskrebs verursachen (2008).

Otto Fritz Meyerhof

Otto Fritz Meyerhof wird am 12. April 1884 als Sohn eines jüdischen Kaufmanns in Hannover geboren. Vier Jahre nach seiner Geburt zieht die Familie nach Berlin um. Dort besucht Otto das Wilhelms Gymnasium, legt 1903 das Abitur ab und beginnt Medizin und Philosophie zu studieren. In Freiburg, Straßburg und Heidelberg setzt er sein Studium fort.

Im Dezember 1909 promoviert er in Heidelberg über „psychologische Theorie der Geistesstörung“. Noch gilt sein Interesse der Psychiatrie. Dies ändert sich aber, als er 1910 Assistent an der von Ludolf von Krehl geleiteten Medizinischen Klinik wird und mit Otto Warburg, dem späteren Gründungsdirektor des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Zellphysiologie und Nobelpreisträger von 1931, zusammenarbeitet. Unter Warburgs Einfluss wendet sich Meyerhof der Zellphysiologie und Biochemie zu und beginnt, sich mit dem Energiestoffwechsel von Muskelzellen zu befassen.

1912 wechselt Dr. Meyerhof an die Kieler Universität und habilitiert sich dort ein Jahr später. Seine viel beachtete Antrittsvorlesung als Privatdozent trägt den Titel „Zur Energetik der Zellvorgänge“. Im Jahr 1914 heiratet er die Malerin Hedwig Schallenberg. Er hatte sie sieben Jahre zuvor als Mathematikstudentin in Heidelberg kennengelernt.

In Kiel setzt Meyerhof seine Forschung auf dem Gebiet der physiologischen Chemie fort. Damit Muskeln funktionieren können, brauchen sie Energie.  Diese wird durch chemische Prozesse freigesetzt. An isolierten Froschmuskeln untersucht Meyerhof den Sauerstoffverbrauch und stellt fest, das bei Sauerstoffmangel Kohlenhydrate in Milchsäure umgewandelt werden. Bei Sauerstoffzufuhr bildet sich die Milchsäure wieder zurück.  Meyerhof berechnet als Erster, wie viel Energie bei der Verbrennung von Glokuse entsteht und erfasst mit dem  „Meyerhof-Quotienten“ das Verhältnis zwischen Sauerstoffverbrauch und Milchsäureproduktion im Muskel. Danach wird bei der Muskelkontraktion ein Fünftel der aus Glukose gebildeten Milchsäure in Energie und vier Fünftel in Glukose umgewandelt. Dies ist nicht nur bei Fröschen so, sondern bei allen Lebewesen annähernd gleich.

Für seine Forschung über den Stoffwechsel im Muskel erhält Meyerhof 1922 gemeinsam mit dem Engländer Archibald Vivian Hill der Nobelpreis. Hill hat unabhängig von Meyerhofs Forschung die Wärmeproduktion im Muskel untersucht.

Als die Kieler Universität einen Lehrstuhl für Physiologische Chemie gründet, wird  Meyerhof trotz seines Nobelpreises bei der Berufung übergangen.  Einen Ruf  an die  Yale-University in den USA schlägt er 1923 aus und geht ein Jahr später als Abteilungsleiter an das Kaiser-Wilhelm-Institut für Biologie in Berlin, wo inzwischen auch Otto Warburg wirkt.

1929 wird Meyerhof die Leitung des Instituts für Physiologie am neu gegründeten Kaiser-Wilhelm-Institut für medizinische Forschung in Heidelberg übertragen, und wird zum ordentlichen Honorarprofessor der medizinischen Fakultät ernannt. Die nach seinen Plänen geschaffenen und mit besten Geräten ausgestatteten Laboratorien bieten ihm ausgezeichnete Arbeitsbedingungen.

1931 wird Prof. Meyerhof zum Mitglied der Heidelberger Akademie der Wissenschaften gewählt und bleibt auch noch 1933 ungeachtet seiner jüdischen Herkunft Institutsleiter. Aber mit Schreiben vom 16.11.1935 entzieht ihm der badische Kulturminister die Lehrbefugnis. Die Arbeitsbedingungen als Institutsleiter verschlechtern sich zunehmend und schließlich erhält Prof. Meyerhof die Kündigung.

Im September 1938 verlässt Prof. Meyerhof Deutschland  zusammen mit seiner Frau Hedwig und den Kindern Gottfried, Bettina und Walter. Mit Hilfe seines ehemaligen Schülers Alexander von Muralt flieht die Familie zunächst in die Schweiz. Am Pariser „Institut de Biologie Physio-Chimique“ arbeitet Meyerhof als Forschungsdirektor. Als im Juni 1944 deutsche Truppen in Paris einmarschieren, kann er über Spanien und Portugal in die Vereinigten Staaten emigrieren. An der University of Pennsylvania in Philadelphia richtet ihm die Rockefeller Foundation eine Forschungsprofessur für Physiologische Chemie ein. 1949 wird Prof. Meyerhof in die „National Academie of Syience“ gewählt.

Meyerhof ist zwar Forscher aus Leidenschaft, beschäftigt sich aber dennoch Zeit seines Lebens auch gerne mit Philosophie, Musik, Literatur und besonders Kunst. Goethe und Rilke sind seine Lieblingsdichter. Schon 1910 hatte er einen Vortrag „Über Goethes Methode der Naturforschung“ gehalten.

Am 6. Oktober 1951 stirbt Prof. Otto Meyerhof in Philadelphia an den Folgen seines zweiten Herzinfarktes.

Zur Einweihung des von der Universität Heidelberg gegründeten „Otto-Meyerhof-Zentrum“ für ambulante Medizin und klinische Forschung bisher kaum oder nur unzureichend behandelbarer Krankheiten kommen am 25. April 2001 auch Otto Meyerhofs in den USA und Kanada lebende und inzwischen schon betagte Kinder Prof. Geoffrey Meyerhof, Dr. Bettina Emerson, und Prof. Walter Meyerhof.

Bert Sakmann

Bert Sakmann wird im Juni 1942 in Stuttgart geboren. Er wächst in  Lindau am Bodensee  auf und geht dort in die Volksschule. Nach Stuttgart zurückgekehrt, besucht er das Wagenburg-Gymnasium. Sein  Lieblingsfach ist die Physik. In seiner Freizeit konstruiert und baut Bert mit großer Begeisterung Modelle von Motor- und Segelschiffen sowie  Flugmodelle. Jeder glaubt, Bert werde später einmal Ingenieur. Im letzten Schuljahr lernt er jedoch die Kybernetik und ihre mögliche Anwendung auf die Biologie kennen und ist davon fasziniert.

Nach seinem Abitur im Jahre 1961 beginnt er in Tübingen Medizin zu studieren. Nach dem Physikum setzt er in Freiburg, Berlin und Paris sein Studium fort. An der Ludwig-Maximilian-Universität in München legt er 1967 sein Staatsexamen ab und bleibt dort als Medizinalassistent. Zugleich arbeitet er als Doktorand und Forschungsassistent bei Prof. Otto Creutzfeld vom Kraepelin-Institut des Max-Planck-Instituts für Psychiatrie. Bert Sakmann beschäftigt sich mit elektrophysiologischen Untersuchungen an der Netzhaut, da er auf diesem Gebiet seine Doktorarbeit  schreiben möchte. Er experimentiert drei Jahre lang  über die neurophysiologischen Grundlagen der Lichtadaption im visuellen System von Katzen. Dabei erkennt er, dass ohne Kenntnis der synaptischen Zusammenhänge das zentrale Nervensystem (ZNS) nur schwer zu verstehen ist. Ein Vortrag von Prof. Bernard Katz über Nerven, Muskeln und Synapsen überzeugt ihn davon, dass  die Zellphysiologie ihm helfen wird, die Funktionen des Zentralen Nervensystems besser zu verstehen.

Bevor er 1971 als Postdoctoral Fellow in die Abteilung für Biophysik von Prof. Katz an das University College in London wechselt, heiratet er seine Frau Christiane, die er bereits in Tübingen kennengelernt hatte.

Am University College in London wird er in Zellbiophysik ausgebildet und lernt die Grundlagen der synaptischen Übertragung kennen. Er entscheidet sich, künftig über deren molekularen Aspekte zu forschen. Er erkennt in der direkten Aufzeichnung von Elementarereignissen die größte experimentelle Herausforderung.

1974 kehrt Sakmann zu Prof. Creutzfeld, der inzwischen in Göttingen forscht, zurück und schliesst seine Dissertation über „Elektrophysiologie der neuralen Helladaptation in der Katzenretina“ ab. Als ihm Otto Creutzfeldt im gleichen Jahr am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie in Göttingen ein eigenes Labor anbietet, nimmt Dr. Sakmann die Stelle als wissenschaftlicher Assistent an.  Am Institut trifft er wieder auf  Erwin Neher, den er schon seit seiner Zeit am Kraepelin Institut in München kennt.


Beide wollen an Ionenkanälen in denervierten (ohne Nervenversorgung) Muskelfasern die Aufzeichnung von Elementarereignissen mit extrazellulären Pipetten erproben. Bislang existieren Ionenkanäle nur als Denkmodell und es ist nicht erforscht, wie diese  Stromschleusen beschaffen sind.

Zellen tauschen in Geweben untereinander Signale aus. Entweder über Botenstoffe wie Hormone oder aber über das Nervensystem. Dieser für ein koordiniertes Verhalten der Organe notwendige Signalaustausch, beispielsweise zwischen Nerven und Muskeln, erfolgt durch Veränderung der elektrischen Spannung der Zellmembran.

Bert Sakmann und Erwin Neher entwickeln die „Patch-Clamp-Technik“, bei der eine dünne Glaspipette mit einem nur tausendstel Millimeter Durchmesser so dicht auf die Zellhülle platziert wird, dass selbst geringste elektrische Ströme zwischen Körperzellen und ihrer Umgebung  messbar werden. Diese elektrophysiologische Methode ermöglicht den beiden Wissenschaftlern, nahezu jeden Kanaltyp in nahezu jedem Zelltyp zu untersuchen und elektrische Signale sowie Schaltvorgänge erregbarer Zellen in individuelle Signale einzelner Moleküle aufzuschlüsseln.

Sie weisen erstmals nach, dass in der Zellhülle winzige (0,5 bis 0,6 Millionstel Millimeter)  Kanäle existieren, durch die geladene Teilchen, die  Ionen, vom Zellinneren in die Umgebung fließen. Diese Ionenkanäle ermöglichen die  zwischen den Zellen notwendige Kommunikation, und deren Reizung oder Hemmung. Ionenkanälen steuern  nicht nur die Prozesse der elektrischen Erregung und der synaptischen Transmission, sondern auch viele Körperfunktionen, vor allem im Bereich der Sensorik, Motorik und der Sekretion.  Es gibt viele verschiedene  Ionenkanaltypen,  und sie erfüllen in fast allen Zelltypen regulatorische Aufgaben.

Im Jahr 1982 habilitiert sich Sakmann an der Universität Göttingen mit der Schrift „Beobachtung von Transmitter-Rezeptor-Wechselwirkung auf molekularer Ebene: Hochauflösende Strommessungen an kleinen Membranarealen von Einzelzellen und zellfreien Membranfragmenten“ und wird 1985 in Göttingen Direktor der Abteilung Zellphysiologie am Max-Planck-Institut  für biophysikalische Chemie sowie 1987 ordentlicher Professor an der medizinischen Fakultät der Universität Göttingen.

Sein anhaltenden Interesse an der synaptischen Physiologie des Zentralen Nervensystems lässt ihn weiter an neuen Methoden  zur Erfassung von  quantensynaptischen Strömen und Elementarereignissen im ZNS mit Hilfe der „Patch-Clamp-Technik“ forschen. Prof. Sakmann gelangt dabei zu der Überzeugung, dass zum Verständnis der synaptischen Übertragung im ZNS die Zusammenarbeit mit Molekularbiologen notwendig ist. Daher wechselt er 1989 als Direktor an die  Abteilung Zellphysiologie am Max-Planck-Institut für medizinische Forschung nach Heidelberg,  einem der molekularbiologischen Zentren in Deutschland. Hier untersucht er die Funktionen und Funktionsstörungen von ZNS-Synapsen auf molekularer Ebene und kombiniert dabei die Techniken der Biophysik und der Molekularbiologie.


Im Jahr 1991 wird Pro. Bert Sakmann zusammen mit seinem Kollegen Prof. Erwin Neherfür die Entwicklung einer Methode zum direkten Nachweis von Ionenkanälen in Zellmembranen und der Erforschung der Signalübertragung innerhalb der Zelle und zwischen den Zellen der Nobelpreis für Physiologie oder Medizin verliehen.

Inzwischen ist Prof. Sakmann emeritiert, forscht aber weiter über zelluläre und molekulare Vorgängen in Synapsen von Säugetieren. Am MPI für Neurobiologie in Martinsried bei München leitet er seit 2008 die Emeritus-Gruppe „Funktionelle Anatomie einer kortikalen Säule“. Die Schaltkreise in der Großhirnrinde sind für Verhaltensweise oder Entscheidungsfindung zuständig. Es wird erforscht, wie sich die synaptische Übertragung von Signalen bei Lernvorgängen verändern. Auch dabei spielen Ionenkanäle eine wichtige Rolle.

Harald zur Hausen

Harald zur Hausen wird im März 1936 als jüngstes von vier Kindern der Eheleute Eduard und Melanie zur Hausen in Gelsenkirchen geboren. Als er mit sechs Jahren in die Schule kommt, ist Krieg und an Unterricht bald nicht mehr zu denken. Das gibt dem an Tieren und Pflanzen sehr interessierten Harald Gelegenheit, oft durch den Wald und die Heide zu streifen und die Natur zu beobachten. Trotz des anhaltenden Unterrichtsausfalls besteht er die damals übliche Aufnahmeprüfung für das Gymnasium. Wenn die Eltern auch nicht wohlhabend sind, so ist ihnen die  gute Ausbildung ihrer Kinder sehr wichtig. Die erste Zeit im Gymnasium ist hart. Es gilt viel aufzuholen. Aber Harald schafft die Versetzung, wenn auch nur mit „großen Bedenken“. Bald aber findet er an den Naturwissenschaften großen Gefallen. Biologie wird sein Lieblingsfach.

1950 zieht die Familie nach Vechta bei Oldenburg. Auch hier ist Harald gerne draußen in der Natur. Aber er liest auch gerne, vor allem die Biographien von Forschern, wie Robert Koch. Ihm ist schon früh klar, dass auch er einmal Forscher sein möchte. Im Jahr 1955 legt er am ehrwürdigen Antonianum-Gymnasium in Vechta sein Abitur ab und beginnt in Bonn Medizin zu studieren. Im Dezember 1960 promoviert er in Düsseldorf und arbeitet die folgenden beiden Jahre als Medizinalassistent an verschiedenen Krankenhäusern, um seine Approbation als Arzt zu erhalten.

Seine Zeit als wissenschaftlicher Assistent am Institut für Hygiene und Mikrobiologie der Universität Düsseldorf beginnt für den jungen Dr. zur Hausen zunächst enttäuschend, da er wenig Anleitung erhält. Aber schließlich findet er Zugang zur Laborarbeit und Freude an der Forschung. Er bleibt mehr als drei Jahre bis er durch einen Zufall erfährt, dass am Virologischen Institut der Kinderklinik von Philadelphia (USA) ein Forschungsassistent gesucht wird. Er bewirbt sich und wechselt 1966 nach Philadelphia, wo er Gertrud und Werner Henle kennenlernt und mit ihnen über den Zusammenhang zwischen dem Epstein-Barr-Virus, und einer in Afrika häufig vorkommenden Krebserkrankung forscht. Fortan lässt ihn das Thema „Viren und Krebs“ nicht mehr los. Die Entstehung von Krebs aus Virusinfektionen wird sein Forschungsschwerpunkt.

Im Jahr 1969 kehrt er nach Deutschland zurück und habilitiert sich an der Julius-Maximilians-Universität in Würzburg mit seiner Arbeit über die "Infektion von Gewebekulturzellen mit dem onkogenen Adenovirus Typ 12". Ab 1972 übernimmt Prof. zur Hausen die Leitung des Instituts für Klinische Virologie der Universität Erlangen-Nürnberg. Hier beginnt er seine Papillomvirus Studie. Durch eine Vielzahl von Berichten auf die Entartung von Genitalwarzen aufmerksam geworden, geht er dem Verdacht nach, dass dafür die in Genitalwarzen enthaltenen Papillomviren verantwortlich sein könnten. Es gelingt, aus Hand- und Fußwarzen Papillomvirus-Erbgut zu isolieren und damit zu dokumentieren, dass es sich vom Genitalwarzen-Erbgut unterscheidet.

Seine Vermutung, dass jeweils unterschiedliche Arten von Papillomviren dafür verantwortlich sind, wird bestätigt. Hand- und Fußwarzen sind stets gutartig, Genitalwarzen dagegen können zu Krebs entarten. Das führt Prof. zur Hausen zu seiner 1976 veröffentlichten und zunächst keineswegs unumstrittenen These, dass insbesondere das Gebärmutterhalsgewebe befallende Papillomviren, Cervix-Krebs verursachen. Gene regulieren das Wachstum und die Teilung der Zellen. Dieser Mechanismus kann aber aus dem Gleichgewicht geraten, wenn ein Virusgen in die  DNA der Wirtszelle eindringt. Gelingt es dem Immunsystem nicht, die Viren zu bekämpfen, kann sich diese Zelle unkontrolliert vermehren, und es entstehen Tumore. Ein Prozess, der oft viele Jahre unbemerkt fortschreitet.

Jedoch welcher Papillomvirus-Typ ist dafür verantwortlich? Dieser Frage geht Prof. zur Hausen in Freiburg nach, wo er 1977 auf den Lehrstuhl für Virologie berufen wird. Um seine These wissenschaftlich zu belegen, untersucht er mit seiner Arbeitsgruppe, der auch die Virologen Lutz Gissman und Ethel-Michele de  Vielliers, seine spätere Ehefrau, angehören, Proben von Zervixkarzinomen auf Papillomviren. Endlich gelingt es 1983 aus Gebärmutterhalstumoren das Erbgut des Papillomvirus-Typen HPV16 zu isolieren;1984 folgt HPV 18.  Beide sind für rund 70 Prozent aller Cervixtumore, der zweithäufigsten Tumorerkrankung bei Frauen, verantwortlich.

Als das Deutsche Krebsforschungszentrum in Heidelberg 1983 einen neuen wissenschaftlichen Vorsitzenden des Stiftungsvorstands sucht, bewirbt sich Prof. zur Hausen und überzeugt mit seinem Konzept zur Neuorganisation.

Trotz der neuen und verantwortungsvollen Aufgabe, forschen Prof. zur Hausen und seine Arbeitsgruppe weiter an den humanen Papillomviren und es gelingt, im Inneren von Krebszellen die Virusgene E6 und E7 zu identifizieren.

Der Nachweis für seine 1976 noch kühne These, dass humane Papillomviren Gebärmutterhalskrebs verursachen, ist erbracht und ermöglicht die Entwicklung eines Impfstoffes. Doch zunächst erweist es sich als äußerst schwierig, ein Pharmaunternehmen davon zu überzeugen, dass eine Impfung gegen Krebs nicht nur möglich ist, sondern es sich auch wirtschaftlich lohnt, Geld in die Entwicklung zu investieren.

Tatsächlich gelingt es Prof. Lutz Gissmann und Prof. Matthias Dürst, einem ehemaligen Studenten von Prof. zur Hausen, erst Anfang der 90er Jahre einen Impfstoff zu entwickeln. Nachdem Studien nachweisen, dass der Impfstoff zuverlässig vor Infektionen mit dem humanen Papillomviren 16 und 18 schützt, ist er ab 2006 in Deutschland verfügbar. Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt die Impfung zunächst für Mädchen zwischen 12 und 17 Jahren, seit 2018 für Mädchen und auch Jungen schon ab 9 Jahren. Männer sind nicht nur Verbreiter der Infektion, auch sie selbst werden durch die Impfung vor Krebsarten wie Mund-Rachen-Krebs oder Analkrebs geschützt, welche durch die gleichen HPV-Typen verursacht werden.

Prof. zur Hausen leitet das Deutsche Krebsforschungszentrum in Heidelberg zwanzig Jahre lang bis zu seiner Pensionierung im Jahre 2003 und macht es zu einem der weltweit  führenden Krebsforschungszentren. Unter anderem richtet er Klinische Kooperationseinheiten ein, bei denen ein Mediziner eine Forschungseinheit am DKFZ und zugleich eine Bettenstation in der Klinik leitet. Dies gewährleistet, dass die Patienten in der Klinik so schnell wie möglich von den Forschungsergebnissen profitieren.

Im Jahr 2008 wird Harald zur Hausen für den Nachweis, dass Humane Papillomviren Gebärmutterhalskrebs verursachen, der Nobelpreis für Medizin oder Physiologie verliehen. Weitere Preisträger sind die Franzosen Luc Montagnier und Francoice Barré-Sinoussi für die Entdeckung des Aidserregers HIV.

Unendlich viele weitere Auszeichnungen, wie z.B. weltweit 30 Ehrendoktorwürden, das große Bundesverdienstkreuz mit Stern, die Ehrenbürgerschaft von Heidelberg, um nur einige zu nennen, würdigen seine außerordentlichen Verdienste. Die Komoren haben ihm sogar eine Briefmarke gewidmet.

Noch heute ist Prof. zur Hausen täglich im Labor zu finden. Aktuell geht er mit  seiner Arbeitsgruppe der Frage nach, ob  der Konsum von Milch oder Rindfleisch ein Risikofaktor für die Entstehung von Darm- oder Brustkrebs darstellt. Auch wenn eine Virusinfektion bei  Rindern keinen Krebs verursacht, könnte es aber sein, dass es beim Menschen der Fall ist. Prof. zur Hausen ist überzeugt, „dass infektiöse Ereignisse bei der Krebsentstehung eine sehr viel größere Rolle spielen, als bislang angenommen“.  

Wir verdanken seiner beharrlichen Forschung die erste gezielt gegen eine Krebsart, den Gebärmutterhalskrebs, wirkende Impfung.

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