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Doppelsterne

Christian Mayer (1719 - 1783)

Christian Mayer wird am 20. August 1719 in Mederitz bei Brünn in Mähren, heute Tschechien geboren. Er wird an den Jesuitenkollegien Olmütz, Tyrnau und Wien erzogen und studiert an den Universitäten von Brünn, Wien und Rom Alte Sprachen, Philosophie, Mathematik und Theologie. Diese breite Ausbildung in unterschiedlichen Fächern ist damals üblich.

Im Jahr 1741 wird er an der Würzburger Universität Magister der Philosophie und setzt sein Theologiestudium fort.  Nach der Promotion tritt er im September 1745 dem Jesuitenorden bei und lehrt in Aschaffenburg Alte Sprachen und Mathematik. Die Nächte verbringt der junge Novize mit der Beobachtung von Sternen. Schon während seiner Schulzeit in Tyrnau, wo die Jesuiten eine Sternwarte unterhielten, dürfte der als wissbegierig geltende Christian erste astronomische Kenntnisse erworben haben.

Nach Ablegung der Ordensgelübde wird Mayer 1750 zum Priester geweiht. Ab 1751 wirkt er an der Universität Heidelberg als Professor für Philosophie. Nur ein Jahr später wechselt er auf Vorschlag des Hofbeichtvaters auf den von Kurfürst Carl Theodor begründeten ersten Lehrstuhl für Experimentalphysik.

Zur Zeit Carl Theodors ist in Mannheim die Versorgung mit Trinkwasser völlig unzureichend, um nicht zu sagen katastrophal. Der Kurfürst beauftragt daher Prof. Mayer sich die vorbildliche Wasserversorgung in Paris anzusehen. Im September 1757 reist Mayer nach Paris und lässt sich die Wasserwerke und Leitungsnetze zeigen. Die Umsetzung der von ihm mit Beschreibungen und Zeichnungen versehenen Denkschrift zur Verbesserung der Trinkwasserversorgung scheitert jedoch an den Bedenken des Hofarchitekten Pigage und die Mannheimer müssen noch viele Jahre auf eine Wasserleitung warten.

Dennoch soll sein Aufenthalt in Paris noch große Bedeutung erlangen, denn dort begegnet er den bedeutenden Astronomen César Francois Cassini de Thury, Nicolas-Louis de Lacaille und Joseph Jerôme de Lalande und erlernt den Gebrauch astronomischer und geodätischer Instrumente. Spätestens jetzt ist seine Leidenschaft für Astronomie geweckt.

Anstatt, wie geplant, nach Marseille weiter zu reisen, kauft Mayer von seinem restlichen Reisegeld lieber eine Pendeluhr und bestellt bei dem Instrumentenmacher Canivet einen Winkelmesser, mit dem sich die  Meridiandurchgänge und Kulminationshöhen von Gestirnen messen lassen. Im Herbst 1758 trifft der Quadrant in Heidelberg ein, und Mayer kann mit ihm im darauf folgenden Jahr die von Edmond Halley angekündigte Wiederkehr des „Großen Kometen“ beobachten.

Der nicht nur den Künsten, sondern auch den Wissenschaften zugetane Kurfürst ist über den neuartigen Quadraten hoch erfreut und erklärt sich dazu bereit, Mayer auf dem Dach seiner Sommerresidenz in Schwetzingen eine Beobachtungsplattform einzurichten. Am frühen Morgen des 6. Juni 1761 wollen Mayer und der Kurfürst im Schwetzinger Schlossgarten den mit Spannung erwarteten Venustransit beobachten.  Leider aber ist es ziemlich nebelig, sodass ihnen das seltene Himmelsereignis verborgen bleibt.

Erst einen Monat später ist das „Observationsgebäu“ auf dem Schlossdach fertig gestellt. In der etwa 3,25 m großen Kuppel werden der Quadrant und auch die Pendeluhr untergebracht. Mit seinen Beobachtungen auf dieser Mini-Sternwarte erzielt Mayer beachtliche Resultate, die er europaweit veröffentlicht. So wird er bald bekannt und genießt in der Fachwelt einen ausgezeichneten Ruf. In Anerkennung seiner wissenschaftlichen Leistungen ernennt ihn der Kurfürst im August 1763 zum Hofastronomen. Von der kleinen Beobachtungsplattform aus beobachten Mayer und der Kurfürst die partielle Sonnenfinsternis vom 16. August 1765.

Für den Juni 1769 ist ein weiterer Venustransit vorausgesagt. Dieser ist aber vom westlichen Mitteleuropa aus nur kurz vor Sonnenuntergang für wenige Minuten sichtbar. Mayer nimmt daher gerne die Einladung der kaiserlich-russischen Akademie der Wissenschaften an, als „observator principalis“ zur Beobachtung nach Petersburg zu kommen. Er fährt nach Amsterdam, durchquert Norddeutschland bis nach Lübeck und kommt nach zehnwöchiger Reise Ende Mai in Petersburg an. Über den Venustransit vom 3. Juni 1769 veröffentlicht Mayer eine umfangreiche Schrift.

Der Pater bleibt noch ein Jahr in Petersburg und kann im August auch einen kurz zuvor von dem französischen Astronomen Charles Messier entdeckten Kometen beobachten. Auf seiner Rückreise kommt Mayer nach Helsinki, Stockholm, Kopenhagen, Lübeck, Hamburg und Göttingen und besucht dort die Sternwarten.

Zurück in Schwetzingen, empfindet er die enge, kleine Beobachtungsplattform als sehr unbefriedigend. Der Pavillon auf dem Mannheimer Schloss erweist sich für die Einrichtung einer ordentlichen Beobachtungsstation als ebenso ungeeignet, wie der Turm des Jesuitenkollegs. Mayer verfasst 1771 eine umfangreiche Denkschrift, mit der er sich für den Bau einer Sternwarte in Mannheim einsetzt. Aufgrund seiner vielen Veröffentlichungen genießt Mayer in der Fachwelt hohes Ansehen und zählt bald zu den bekanntesten Astronomen. Der Erfolg seines Professors erfüllt Carl Theodor mit Stolz, denn er vermehrt auch  seinen kurfürstlichen Ruhm. Daher stimmt er dem Bau der Sternwarte zu, was ihm umso leichter fällt, als der Jesuitenorden einen wesentlichen Teil  der Baukosten trägt.

Der Artillerieleutnant Johann Lacher fertigt den Entwurf, der heute noch im Original erhalten ist. Die Bauleitung wird dem Hofbaumeister Franz Wilhelm Rabaliatti übertragen, der bereits am Bau der Jesuitenkirche beteiligt war. Gemeinsam mit Rabaliatti feilt der ehrgeizige Mayer an den Plänen. Seine Sternwarte soll perfekter und schöner werden, als alle anderen. Am 1. Oktober 1722 wird am Festungswall, unmittelbar neben dem Grundstück der Jesuiten der Grundstein für das achteckige Turmgebäude gelegt.

Mayer widmet sich nicht nur dem Bau der Sternwarte und der Astronomie, sondern nutzt seinen Canivet-Quadranten auch zur exakten Kartierung der Pfalz. Die Landkarten jener Zeit sind zwar sauber gestochen und auch schön bunt, aber sehr ungenau. Mit der Realität stimmen sie nur wenig überein. Mayer beginnt nun mit Hilfe der bei seinem Freund Cassini de Thury gelernten „Triangulation“, der Dreiecksvermessung, eine exakte Karte der Pfalz anzufertigen. Bei diesem noch heute angewandten Verfahren wird das zu vermessende Gebiet in ein Netz von Dreiecken aufgeteilt. Ist die Länge einer Dreiecksseite, der Basis, bekannt und die Winkel mit dem Quadranten ausgemessen, lassen sich alle anderen Entfernungen berechnen.

Als Basis vermisst Mayer mit einem ebenfalls bei Canivet erworbenen „Toisenstab“, einer altfranzösischen Maßeinheit, die 12.363,5 m lange, bei Ketsch beginnende, durch die Hauptallee des Schwetzinger Schlossgartens führende und kurz vor Heidelberg endende Strecke. Nach mehrjährigen Messungen kann Mayer dem Kurfürsten im Januar 1773 die keine Pfalzkarte überreichen. Ein Jahr später folgt die große Pfalzkarte, die berühmte „Charta Palatina“.

Im Dezember 1774 ist der 33 m hohe Turm der Sternwarte nach zweijähriger Bauzeit und erheblich überschrittenen Baukosten fertig gestellt. (Das gab es also auch damals) Die auf gemauerten Gewölbedecken ruhenden fünf Geschosse beherbergen zwei Instrumentensäle, eine Bibliothek, Mayers Wohnung und auch ein Gästezimmer. Im rechteckigen Anbau führt eine Wendeltreppe aus Sandstein hinauf zum Flachdach, in dessen Mitte ein Häuschen mit einer Kuppel steht. Die drei Eingangstüren bestehen aus massiven Eichenholz.

Es versteht sich von selbst, dass die Sternwarte mit den besten damals verfügbaren Instrumenten ausgestattet wird. Darunter ein ca. 9 Zentner schwerer Mauerquadrant mit einem Radius von 2,5 m, den Mayer im Februar 1774 bei dem Mechaniker John Bird in London bestellt. Im Januar 1775 bezieht Mayer seine Wohnung in der Sternwarte. Leider aber fehlen noch viele der Instrumente, so dass Mayer die Saturnbedeckung durch den Mond im Februar 1775 noch von Schwetzingen aus beobachten muss. 

Bis zum 26. Januar 1776 wird der Mauerquadrant im 2. Obergeschoss, exakt auf den Meridian nach Süden ausgerichtet, senkrecht an die Wand montiert. Nun kann Mayer die genaue Kulminationshöhe und Position der Gestirne auf dem Meridian und auch ihre Durchgangszeit messen. Schon wenige Tage später beobachtet Mayer die Bedeckung des Sterns Aldebaran durch den Mond. 

Leider werden bei einem Feuer, das während eines zu Ehren des Ordensgründers Loyola am 31. Juli  veranstalteten Trinkgelages im 4. Geschoss der Sternwarte ausbricht, die meisten wertvollen Bücher der Bibliothek sowie auch handschriftliche Aufzeichnungen von Mayers Russlandreise und viele seiner Himmelsbeobachtungen vernichtet. 

Aber Mayer lässt sich nicht entmutigen, sondern setzt seine Messungen mit dem Mauerquadranten fort. In ihm wächst die Überzeugung, dass viele Sternpaare nicht nur optisch eng am Himmel beieinander stehen, sondern tatsächlich räumlich benachbart sind und einander umkreisen. Bewegen sich nicht auch Erde und Mond unter dem Einfluss ihrer gegenseitigen Anziehungskraft umeinander herum?

Mit dem Mauerquadranten kann Mayer die winzigen gegenseitigen Verschiebungen der „Fixsterntrabanten“, wie er sie nennt, messen und auf diese Weise in nur eineinhalb Jahren mehr als 100 Doppelsternpaare entdecken und ihre Position bestimmen. Er erkennt als erster Astronom, dass die Doppelsterne physisch zusammen gehörende Sternsysteme sind, die sich unter dem Einfluss der gegenseitigen Massenanziehung auf elliptischen Bahnen um ihren gemeinsamen Schwerpunkt bewegen. Damit gelingt ihm eine der ersten bedeutenden Entdeckungen der Stellarastronomie.

Im Oktober 1777 berichtet die Mannheimer Zeitung über einen von Mayer vor der Kurfürstlichen Akademie der Wissenschaften zu seiner Entdeckung gehaltenen Vortrag „Der kurfürstliche Hofastronom, Herr Professor Mayer, lase demnach eine lateinische Abhandlung über 100 neu bemerkte Trabanten verschiedener Fixsternen, welche seit dem 30. Jänner des verwichenen Jahres bis zum 14. des jetzt verwichenen Herbstmonats von ihm und seinem Herrn Adjunkten, Johann Mezger, allhier entdeckt worden sind. Aus dem Beispiele des Arcturus und seines Trabanten, wie auch anderen unumstößlichen Gründen, wurde zu gleich erwiesen, daß man zur Aufklärung der annoch so dunklen Kenntnis der eigenen Bewegung der Fixsterne mittelst solcher Beobachtungen in 10 Jahren weiter, als durch andere bisher gemachte hundertjährige Versuche, fortschreiten könne".

Der von Mayer 1778 veröffentlichte Katalog mit seinen grundlegenden Erkenntnisse über die Existenz physischer Doppelsterne findet nicht nur Anerkennung, sondern stößt auch auf Widerspruch. Dem entgegnet Mayer 1879 mit seiner Publikation „Gründliche Vertheidigung neuer Beobachtungen von Fixsterntrabanten“ und veröffentlicht 1780 eine Tabelle mit 72 Doppelsternen. Erst 1804 liefert Friedrich Wilhelm Herschel den unzweifelhaften Beweis. Heute wissen wir, dass etwa die Hälfte aller Sterne unserer Galaxie einem Doppel- oder sogar Mehrfachsternsystem angehören.

Mayers Sternwarte ist im Laufe der Zeit zu einer Sehenswürdigkeit geworden und zieht viele Besucher an. Davon zeugt das heute noch vorhandene Gästebuch mit vielen berühmten Namen. Am 16. November 1778 trägt sich Wolfgang Amadeus Mozart als Maître de musique ein. Seine Gäste führt Mayer gerne selbst auf das Dach seiner Sternwarte. Er versteht es auch, die Bevölkerung für astronomische Phänomene zu interessieren, indem er bevorstehende Himmelsereignisse in den Tagesblättern ankündigt.

Ein bedeutendes Ereignis für den großen Gelehrten ist die Beobachtung des wenige Monate vorher von Herschel entdeckten Planeten Uranus im November 1781. Am 16. April 1783 stirbt Mayer im Alter von nur 63 Jahren. Unter dem Langhaus der Jesuitenkirche findet er seine letzte Ruhestätte, worauf eine einfache Inschrift an der Wand hinweist. Kurfürst Carl Theodor, der 1778 in München sein bayerisches Erbe antreten musste, lässt für seinen hochgeachteten Professor eine Gedenkmedaille anfertigen. Sie zeigt das einzige von Mayer überlieferte Bild.

Mit Mayers Tod endet die kurze Glanzzeit der Sternwarte. Sein Nachfolger muss schon nach kurzer Zeit gehen, weil er „die Mädchen zu glücklich macht“. 1880 wird die Sternwarte schließlich aufgegeben und Karlsruhe wird Sitz der großherzoglichen Hofsternwarte. Sie wird 1898 mit der Privatsternwarte von Max Wolf in Heidelberg zur Landessternwarte auf dem Königstuhl vereint. Zusammen mit dem Max-Planck-Institut für Astronomie, dem astronomischen Rechenzentrum und dem Institut für theoretische Astrophysik ist sie heute eines der bedeutendsten Zentren für Astronomie weltweit.

Mayers Instrumente sowie seine Beobachtungsbücher und Notizen aus der Zeit von 1776 bis 1779, sind im Technoseum zu bewundern; sein Gästebuch wird in der Landessternwarte Heidelberg aufbewahrt.

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