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regelbare Einspritzpumpe 1909

Regelbare Einspritzpumpe 1909

Prosper L'Orange (1876-1939)

Prosper L’Orange wird am 1. Februar 1876 in Beirut, im damaligen osmanischen Reich, geboren. Sein aus einer französischen Hugenottenfamilie stammender Vater Dr. Rudolf Heinrich L’Orange ist Chefarzt am Beiruter Johanniter Spital. Als Prosper 12 Jahre alt ist, schicken ihn seine Eltern zu Verwandten nach Königsberg. Er besucht dort das Realgymnasium und macht sein Abitur. Schon früh interessiert er sich für Motoren. Im Oktober 1896 beginnt er an der TH Berlin-Charlottenburg das Studium des Maschinenbaus und legt im Sommer 1900 mit Auszeichnung die Diplomprüfung ab. Er tritt noch im gleichen Jahr eine Assistentenstelle am wärmetechnischen Laboratorium der TH Berlin an, wo er an Kältemaschinen forscht und Hedwig Eisendick heiratet. Nach dem Ende seines einjährigen Militärdiensts in Königsberg tritt er 1902 in Danzig, wo noch im gleichen Jahr sein ältester Sohn Rudolf geboren wird, seine erste Stelle an. 1903 wechselt L’Orange zum Fürstlich Stolbergischen Hüttenamt in Ilsenburg. Hier, im Harz, wird der zweitälteste Sohn Harro geboren.   

Schon im darauf folgenden Jahr beginnt L’Orange als Versuchsingenieur für Großgasmaschinen bei der Gasmotorenfabrik Deutz AG in Köln und übernimmt zwei Jahre später die Leitung der Versuchsabteilung. Hier befasst man sich mit Rudolf Diesels Selbstzündermotor, da der Schutz seiner Patente 1907/08 abläuft.

 

Beim Otto-Motor wird das aufbereitete Luft-Kraftstoff-Gemisch angesaugt und dann verdichtet. Beim Diesel-Motor wird dagegen der Kraftstoff mit einer Niederdruckpumpe in einen Zerstäuber befördert und mit hohem Druck als feiner Nebel in die durch einen Kompressor hoch verdichtete Luft im Verbrennungsraum eingeblasen. Infolge der bei der Verdichtung entstandenen hohen Temperatur entzündet sich der Kraftstoff selbst und muss nicht mehr wie beim Otto-Motor durch besondere Zündkerzen gezündet werden.

Zwar weisen bereits die ersten Diesel-Motoren einen hohen Wirkungsgrad auf, sie sind jedoch aufgrund dieser aufwändigen Technik groß und schwer. Dennoch etabliert sich der Dieselmotor neben dem Otto-Motor als zweite Form der Verbrennungskraftmaschine, wenn auch zunächst nur als stationärer Motor, der in Fabriken oder Werkstätten andere Maschinen antreibt. 

 

In der Versuchsabteilung arbeitet L’Orange an einer Konstruktion, welche den Kompressor verzichtbar und den Motor damit kleiner machen soll. Er verbindet den Zylinder des Motors durch Ventile mit einer gegenüber angeordneten kugelförmigen Kammer, in der sich nach dem Einspritzen des Kraftstoffs eine kleine Menge entzündet und für eine Verwirbelung und Verteilung des restlichen Kraftstoffs in die komprimierte Luft im Zylinder sorgt.

Im Jahre 1908 meldet die Deutz AG das sogenannte Nachkammer-Patent (DRP 238 832) an, verfolgt diesen Ansatz jedoch nicht weiter. Mit der Konstruktion eines geteilten Verbrennungsraums ist L’Orange jedoch der erste Schritt hin zum kompressorlosen Dieselmotor gelungen.

 

Noch im Oktober 1908 wechselt der Oberingenieur Prosper L’Orange als Leiter des Motorenversuchs nach Mannheim zu Benz & Cie, dem im Jahre 1871 von Carl Benz als „Mechanische Werkstätte“ gegründeten Unternehmen. Nach dem Ausscheiden von Carl Benz im Jahr 1903 und dem fünf Jahre später erfolgten Umzug der Automobil-Produktion in die neue Fabrik in Mannheim-Luzenberg kämpft die im alten Benz-Werk in der Waldhofstraße mit den alten Maschinen zurückgebliebene Abteilung für den Bau stationärer Motoren mit erheblichen Problemen.

Der stationäre Motorenbau ist nicht rentabel und auch nicht mehr konkurrenzfähig. Man hofft, der junge Diplom-Ingenieur könne den stationären Motoren zu neuem Aufschwung verhelfen. L’Orange erhält nicht nur eine anspruchsvolle Ausstattung seines Versuchslabors, sondern auch weitgehende Vollmachten und das Recht an seinen Erfindungen.

 

Zunächst lässt er seine Abteilung mit neuen Maschinen ausstatten und konstruiert in kürzester Zeit stehende Einzylinder-Motoren für flüssige und gasförmige Brennstoffe (P I bis P IV), die sofort zu einem großen Verkaufserfolg werden.

 

Nebenbei baut er zur Verbesserung seines Nachkammer-Verfahrens einen Versuchsmotor mit verschiedenen Zylinderköpfen. Er verfolgt das Ziel, die Kraftstoffzerstäubung und damit die Brennstoffzufuhr genauer und gleichmäßiger zu regeln, als dies bei der explosionsartigen Zündung des Treibstoffes in der Nachkammer möglich war. Er ordnet zwischen der Einspritzdüse und dem Zylinder eine halb-kugelförmige Kammer an. In dieser verbrennt nach der Einspritzung durch den Kontakt mit der heißen Kugelwand ein kleiner Teil des Dieselöls und erzeugt dabei einen Überdruck, der das restliche Luft-Diesel Gemisch fein zerstäubt in den Zylinder hineintreibt. Bei hohen Temperaturen kann eine gleichmäßigere Verbrennung stattfinden, was für stoßfreies Arbeiten, höhere Drehzahlen und mehr Leistung sorgt. Als Rudolf Diesel im Jahr 1909 Benz & Cie in der Waldhofstraße besucht, um eine Lizenz für Fahrzeugmotoren anzubieten, bewundert er L’Oranges Versuchsmaschine.

Am 14. März 1909 meldet Benz & Cie. das Vorkammerprinzip von Prosper L’Orange zum Patent an (DRP Nr. 230 517). Im Jahr 1910 wird der inzwischen mit seiner fünfköpfigen Familie nach Mannheim in die Stamitzstraße in Werksnähe gezogene Prosper L’Orange zum Prokuristen ernannt und 1912 in den Vorstand berufen.

 

Damit wird er aber nicht sehr glücklich, denn die Vorstandsarbeit nimmt ihn so sehr in Anspruch, dass seine Versuche zur marktreifen Vollendung des kompressorlosen Dieselmotors, zu kurz kommen.1913 bezieht er mit seiner Familie ein Haus in der Nadlerstraße in Feudenheim. Als er endlich im Sommer 1914 seine Versuche fortsetzen möchte, verhindert dies der Beginn des ersten Weltkrieges. Der Reservist Prosper L’Orange wird im August 1914 eingezogen, aber schon im Herbst zurückbeordert und mit der Entwicklung von Dieselmotoren für U-Boote beauftragt.

 

Seine Versuche zur Verbesserung des Vorkammer-Dieselmotors kann er erst nach Kriegsende wieder aufnehmen. Bislang umspülen die Verbrennungsgase den Zündkörper von allen Seiten, was zu einer schnellen Verbrennung und zu seiner Zerstörung führt. Die Düsen werden durch Ölverkokung immer wieder verstopft und müssen erneuert werden. Dies verursacht Kosten und den Ausfall des Motors. Studien inzwischen im Ausland entwickelter Vorkammer-Diesel und immer neue Versuche lassen ihn die Ursache für die Verkokung finden. Diese tritt auf, wenn das Material, mit dem der Treibstoff Kontakt hat, zu heiß ist. Es darf aber auch nicht zu kalt sein, sonst kondensiert der Treibstoff. Nach vielen unbefriedigenden Versuchen kann er schließlich einen trichterförmigen Zündeinsatz entwickeln, der so in den wassergekühlten Zylinderkopf eingesetzt wird, dass die Verbrennungsgase nur an seine Innenseite gelangen. Nun ist die Gefahr einer Verkokung deutlich gemindert und es gelingt eine sichere Zündung und eine optimale Verbrennung.

Am 18. März 1919 wird das Trichter-Patent angemeldet, das fünf Jahre später (Patent DRP Nr. 397 142) erteilt wird. Im Jahr 1919 kann Prosper L’Orange noch einen weiteren Erfolg verbuchen: eine deutlich verbesserte Nadel-Einspritzdüse.

 

Schließlich gelingt L’Orange im Jahr 1921 die Konstruktion der regelbaren Einspritzpumpe, die den Kraftstoff gezielt in den Zylinder spritzt. Diese Pumpe wird erstmals ohne Stopfbuchse gedichtet, und zwar alleine dadurch, dass Kolben und Buchse Millimeter genau angepasst sind. Damals eine mechanische Meisterleistung. Mit dieser Einspritzpumpe lässt sich nun die Fördermenge stufenlos verändern und die Leistungsabgabe des Motors präzise regeln. Damit hat L’Orange sein Ziel erreicht: Die Konstruktion eines schnelllaufenden kompressorlosen Dieselmotors, der auch Straßenfahrzeuge zuverlässig, robust und sparsam im Verbrauch antreiben kann.

Zum 1. Januar 1922 verkauft Benz & Cie. die Abteilung "Stationärer Motorenbau" an eine Berliner Finanzgruppe. Das ausgegliederte Unternehmen heißt nun "Motorenwerke Mannheim AG, vormals Benz, Abteilung stationärer Motorenbau" und wird von Prosper L’Orange geleitet. Die MWM bauen nun die größeren Dieselmotoren und Benz & Cie. die kleinen Fahrzeugmotoren.

 

Nach einer Probeserie wird L’Oranges neuer Vorkammer-Diesel 1922 als Zweizylinder-Viertaktmotor mit einer Leistung von 25 PS in einen dreirädrigen Ackerschlepper eingebaut. Diesen entwickeln die Mannheimer gemeinsam mit dem Münchener Traktorenhersteller Sendling. Auf der Landwirtschaftsausstellung in Königsberg findet der Benz-Sendling Schlepper S 6 sofort Käufer und geht ab März 1923 in Serie.

Im April 1923 startet der erste serienmäßig produzierte Dieselmotor für Nutzfahrzeuge mit einer kleinen Serie von Vierzylinder-Vorkammer-Diesel-Motoren des Typs OB 2. Am 10. September 1923 findet im hügeligen Gaggenau die Jungfernfahrt des ersten Diesel-Lkws der Welt, dem Benz 5 K 3 Lastwagen mit einem Vierzylinder-Vorkammermotor des Typs OB 2 mit 45 PS statt. Im Vergleich zu einem baugleichen Benziner erzielt der Diesel sensationelle Kraftstoffeinsparungen. In Zeiten großen Kraftstoffmangels macht ihn seine hohe Wirtschaftlichkeit erfolgreich. Das zur Verbrennung notwendige Rohöl ist billiger als Benzin und kann auch aus Braunkohlenteer destilliert werden. (1913 Friedrich Bergius, Kohleverflüssigung) Da der Diesel-Motor ohne Zündung oder Vergaser auskommt, ist seine Wartung auch erheblich einfacher und kostengünstiger. Der Benz 5 K 3 wird 10 Jahre lang hergestellt. Ihn gibt es mit dem 4 Zylinder Dieselmotor OB 2 auch als 5 t Pritschenwagen.

Die MWM präsentieren im Jahr 1924 ihre liebevoll „Motorpferd“ genannte Straßenzugmaschine mit einem 18 PS Dieselmotor. Bei einer Vorführ-Fahrt zieht sie 5 Tonnen Anhängerlast auf den Königstuhl in Heidelberg hinauf.

 

Als Generaldirektor der MWM bleibt L’Orange jedoch keine Zeit mehr für seine Forschung zur Vervollkommnung der Einspritztechnik. Als dann Daimler und Benz fusionieren und die Übernahme der Aktienmehrheit an der MWM durch die Knorr-Bremse AG München bevorsteht, scheidet L’Orange Ende 1925 aus den Motorenwerken aus und studiert an der Universität Heidelberg als Gasthörer zwei Semester Physik.

 

Im Jahr 1926 meldet er für eine für viele Motortypen geeignete Pumpe Patente an und wagt den Schritt in die Selbständigkeit. Mit einem Mannheimer Bankier als Teilhaber gründet er 1927 die „REF Apparatebau GmbH“ in Stuttgart-Feuerbach und stellt sehr erfolgreich Einspritzpumpen und Düsen für kompressorlose Dieselmotoren her, später auch Gleichstrom-Einspritzdüsen für Flug-motoren. Auch im Ausland erfahren die Produkte große Nachfrage.

 

Mit der Weltwirtschaftskrise gerät das Unternehmen jedoch in derart große Schwierigkeiten, dass sich L’Orange 1932 gezwungen sieht, sein Unternehmen mit seinen Patenten an die Robert Bosch AG zu verkaufen. Fortan arbeitet L’Orange von seinem privaten Büro aus als Berater, so zum Beispiel für Klöckner-Humboldt-Deutz. Von Deutz stammt auch die Versuchsmaschine für sein letztes Projekt, den pumpenlosen Dieselmotor.

Seine Söhne Rudolf und Harro gründen 1933 die „Gebrüder L’Orange Motorzubehör GmbH“ und spezialisieren sich auf die Entwicklung und Fertigung von Einspritzsystemen. Die L´Orange GmbH bleibt bis 1978 im Familienbesitz und ist Weltmarktführer bei Einspritztechnik für 4-Takt Großmotoren. Sie heißt heute Woodward L’Orange.

 

Nach der Fusion der Firmen Daimler-Motorengesellschaft und Benz & Cie.  gibt man L’Oranges Vorkammermotor den Vorzug, da er leichter und billiger ist als der Dieselmotor von Daimler mit Drucklufteinblasung. L’Oranges Patente bilden auch die Grundlage für den ersten serienmäßig hergestellten Diesel-Personenwagen der Welt, den Mercedes-Benz Typ 260 D (W 138). Seine Vorstellung auf der Berliner Automobil-Ausstellung im Februar 1936 ist eine Sensation. Die außerordentliche Wirtschaftlichkeit und Zuverlässigkeit machen den Mercedes-Benz 260 D schnell zu einem Erfolgsmodell. Vor allem als Taxi ist er begehrt. Er verbraucht auf 100 km nur 9,5 Liter und erreicht eine Höchstgeschwindigkeit von 90 km/h. Mit nur einer Tankfüllung fährt er bis zu 500 km weit, was bei den wenigen Tankstellen damals von Vorteil ist.

 

Seine Erfindungen fasst L’Orange in seinem einzigen längeren Druckwerk zusammen. Es erscheint 1934 und er betitelt es bescheiden nicht „M e i n Beitrag“, sondern „E i n Beitrag zur Entwicklung der kompressorlosen Dieselmotoren“.

Der Senat der TH Karlsruhe, von L’Oranges wissenschaftlichen Leistungen überzeugt, möchte ihm den Ehrendoktor verleihen, hat aber zunächst Mühe, die Parteistellen von der Ehrung des Nicht-Parteigenossen mit dem französischen Namen zu überzeugen. Am 28. Februar 1939 wird L’Orange schließlich von der TH Karlsruhe, heute Karlsruher Institut für Technologie (KIT) für sein Lebenswerk mit der Ehrendoktorwürde ausgezeichnet.

Dr.-Ing. E.h. Prosper L’Orange, der Wegbereiter des modernen Dieselmotors, stirbt unerwartet am 30. Juli 1939 in Stuttgart. In der von ihm kurz zuvor gegründeten und noch heute herausgegebenen Motortechnischen Zeitschrift MTZ erscheint eine ganzseitige Todesanzeige. Seine Grabstätte auf dem Stuttgarter Waldfriedhof schmückt ein Stein mit seinem Porträt. 

 

Prosper L’Orange hat sich der Verwirklichung von Rudolf Diesels Traum vom schnelllaufenden, kompakten Dieselmotor als Automobilantrieb gewidmet und es ist ihm vergönnt, den Siegeszug seiner Erfindungen zu erleben. Rudolf Diesel erlebt den Erfolg seines Motors nicht mehr. Vor dem wirtschaftlichen Ruin stehend, ist er 1913 auf der Überfahrt von Holland nach England von Bord des Postdampfers Dresden verschwunden. Aber er war davon überzeugt, dass der Dieselmotor eines Tages auch Autos antreiben wird.

Bis in die Neunziger Jahre bildet Prosper L’Oranges Vorkammer-Prinzip die Grundlage für die Weiterentwicklung der wirtschaftlichen Dieselmotoren. Auch für die 1997 eingeführte Common-Rail-Einspritzung hatte Prosper L’Orange bereits 1937 die Idee. Wen wundert, dass Woodward- L’Orange zu den wichtigsten Anbietern von Common-Rail-Systemen zählt.

 

Es ist schade, dass die Abgas-Manipulationen vor sechs Jahren den sparsamen und langlebigen Dieselmotor in Verruf brachten. Der Verbrennungsmotor soll nach dem Willen der Politik sogar bald der Vergangenheit angehören. Schüttet man da nicht das Kind mit dem Bade aus? Ist der viel gepriesene Elektromotor tatsächlich so viel umweltfreundlicher? Dabei gibt es inzwischen neue Dieselmotoren, die im Vergleich von vor sechs Jahren bis zu 80 Prozent weniger Stickoxide ausstoßen. Aber das ist eine andere Geschichte.

 

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