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Bulldog 1921

Dr. Fritz Huber (1881 - 1942) Fa. Heinrich Lanz

In der Mitte des 19. Jahrhunderts ist Mannheim das bedeutendste Wirtschaftszentrum im Großherzogtum Baden. Der bis Heilbronn schiffbare Neckar und vor allem der 1840  eröffnete neue Rheinhafen lassen Mannheim zum wichtigsten süddeutschen Umschlagplatz werden.

Diese günstige Verkehrslage erkennt der Speditionskaufmann Johann Peter Lanz aus Friedrichshafen am Bodensee. Er gründet im Jahr 1842 in Mannheim eine Filiale für sein aus dem väterlichen Getreide- zum Landmaschinenhandel erweitertes Unter-nehmen. Zu dieser Zeit bestellen die meisten Bauern ihre Äcker noch mit Hilfe ihrer Ackergäule. Nur wenige können sich landwirtschaftliche Maschinen leisten. Oft erzeugt ein Bauer nur so viel, dass er damit die eigene Familie ernähren kann.

Der Lanz-Sohn Heinrich übernimmt im Alter von 21 Jahren die Leitung der Filiale. Bereits ein Jahr später richtet er mit zwei in England geschulten Schlossern in einem Gartenhaus in der Schwetzinger Straße eine Reparaturwerkstatt für die von ihm vertriebenen Landmaschinen ein.

Diese ist so erfolgreich, dass sie bald vergrößert und mit Dampfkraft ausgestattet werden muss. Darüber hinaus führt Heinrich Lanz ein modernes Marketing ein: günstige Preise durch Großeinkauf sowie Bevorratung eines breiten Angebotes an verschiedenen Maschinen und Ersatzteilen, die er bald auch selbst herstellt. Dazu wird der Betrieb von der Schwetzinger Straße aus bis zum Hauptbahnhof erweitert. Die von ihm angebotenen Maschinen werden ausgestellt, vorgeführt und die Landwirte werden beraten. Heinrich Lanz vergisst auch nicht, geschickt für die arbeitssparenden Maschinen zu werben.

Im März 1865 heiratet er Julia Faul, die Tochter eines Mannheimer Weinhändlers. In der klugen und gebildeten jungen Frau findet er eine ideale Partnerin.  Für seine junge Familie lässt Heinrich Lanz in A 2, 6 ein repräsentatives Haus errichten, die spätere Hedwigsklinik. Im Jahre 1867 beginnt Lanz eigene landwirtschaftliche Maschinen herzustellen. Vor allem die Futterschneidemaschine wird ein großer Erfolg. Und auch Dreschmaschinen werden in Mannheim produziert. Große Maschinen, wie etwa der erste Dampfpflug  für die Zuckerfabrik in Waghäusel,  müssen dagegen weiterhin aus England importiert werden.

Ab dem 1. Januar 1870 führt Heinrich Lanz das Unternehmen unter eigenem Namen und erweitert die Produktpalette. Dazu wird im Jahre 1873 eine Gießerei  ein-gerichtet, die bis zum Jahre 1998 in Betrieb sein wird.  Ab 1879 produziert die Firma Heinrich Lanz nun auch Dampfdreschmaschinen und Lokomobile. Das sind transportable Dampfmaschinen zum Antrieb von Geräten. Eine weitere Expansion ist in der Schwetzinger Vorstadt jedoch nicht mehr möglich. Daher kauft Heinrich Lanz 1888 auf dem Lindenhof zwischen Windeck- und Meeräckerstraße Grundstücke, versieht sie mit einem Bahngleisanschluss und verlagert dann nach und nach die Produktion in die neuen Fabrikanlagen. Das einzig unverändert erhaltene Bauwerk aus dieser Zeit ist der 1899 errichtete Wasserturm.

Auf der Weltausstellung 1900 in Paris kann die Firma Heinrich Lanz die weltweit größten Lokomobile vorstellen. Heinrich Lanz hat sein Unternehmen zum bedeutendsten Produzenten landwirtschaftlicher Maschinen auf dem europäischen Kontinent gemacht. Seine Arbeiter zählen in Mannheim nicht nur zu den bestbezahlten, sondern sie profitieren auch von einer Arbeitslosenkasse, einer Firmensparkasse und einer Kranken- und Familienunterstützung, die Lanz zu seinem 60. Geburtstag zur Heinrich-und-Julia-Lanz-Stiftung erweitert. Die Eröffnung des von ihm gestifteten Heinrich-Lanz-Krankenhauses im November 1907 erlebt er nicht mehr: er stirbt am 1. Februar 1905 im Alter von 67 Jahren und wird später in der Familiengruft  auf dem Mannheimer Hauptfriedhof beigesetzt.  Ein im Jahre 1910 eingeweihtes Denkmal auf dem Werksgelände erinnert noch heute an Heinrich Lanz.

Sein einziger,  nach den Töchtern Helene (1866), Emily (1867) und Valentine (1870)) im Mai 1873 geborene Sohn Karl übernimmt die Geschäftsleitung. Nach dem Studium des Maschinenbaus ist er 1897 in das Unternehmen eingetreten. Er möchte Innovationen fördern und veranstaltet Wettrennen für Motorboote wie etwa die "Rheinwochen" und die "Bodenseewochen". Er engagiert sich auch auf dem Gebiet der Luftfahrt und gründet im April 1909 gemeinsam mit dem Ingenieur Johann Schütte das  Unternehmen "Luftschiffbau Lanz & Schütte GmbH", das bis 1918 überwiegend militärisch genutzte Luftschiffe baut. Privat leistet sich Karl Lanz in der Mannheimer Oststadt für die damals unglaubliche Summe von 5 Millionen Reichsmark (umgerechnet 28 Millionen Euro) ein Palais im Neobarock, das größte Privathaus Mannheims, in das Mitte der fünfziger Jahre  das Telegrafenamt einziehen wird.

Als Karl Lanz im September 1916 den Ingenieur Fritz Huber als Konstrukteur für die Firma Heinrich Lanz einstellt,  ahnt er wahrscheinlich nicht, welcher Glücksgriff ihm da gelungen ist. Fritz kommt am 8. März 1881 in Wasserburg am Inn als Sohn des Kaufmanns und Webermeisters Ludwig Huber und dessen Frau Babette zur Welt. Er besucht die Realschule in Wasserburg, anschließend in München die Industrieschule und studiert ab 1899 an der Technischen Hochschule München Maschinenbau. Im Jahr 1903 schließt er sein Studium mit dem Diplom ab. Der junge Ingenieur  arbeitet bei verschiedenen Firmen des Motorenbaus nicht nur in Deutschland, sondern auch in der Schweiz, Österreich und Frankreich. Dabei beschäftigt er sich mit dem Bau von Fahrzeug- und Schiffsmotoren sowie ortsfesten Motoren und konstruiert auch "Glühkopfmotoren". Dabei erkennt er,   dass diese auch für landwirtschaftliche  Maschinen geeignet sein könnten. Ende 1914 meldet er sich freiwillig für den Kriegsdienst, wird Sanitätsoffizier und scheidet 1916 nach einer schweren Erkrankung aus dem Heer aus. 

Als er nach seiner Entlassung aus dem Lazarett am 20. September 1916 bei der Firma Lanz eingestellt wird, baut er zunächst benzinbetriebene Zugmaschinen für die deutsche Armee. Ab 1918 beginnt er mit  der Konstruktion eines neuartigen Glühkopfmotors, der als stationärer Motor kleine Dreschmaschinen und auch andere Landmaschinen antreiben soll. Der bereits 1890 von dem Engländer Herbert Akroyd Stuart erfundene Viertakt-Glühkopfmotor galt als robuster Antrieb für Schiffe.

Bei Ottomotoren, die Lanz seit 1911 in seine Schlepper baut, wird die Verbrennung des Kraftstoff-Luft-Gemisches durch Zündfunken eingeleitet; bei Dieselmotoren entzündet sich der Kraftstoff selbst infolge der bei der starken Verdichtung entstehenden hohen Temperaturen.

Beim Glühkopfmotor wird der Kraftstoff während der Verdichtung auf die als "Glühkopf" ausgebildete glühend heiße Innenwand des Brennraums gespritzt, wo er verdampft und sich gegen Ende der Kompression entzündet.

Parallel zur Entwicklung des Glühkopfmotors arbeitet Fritz Huber an seiner Dissertation über „Erschütterungen schwerer Fahrzeugmotoren“, die er im Jahre 1919 an der TH München einreicht. 1920 wird er zum Dr.-Ing. promoviert.

Bedingt durch die Auswirkungen des Ersten Weltkriegs kann Huber seinen Glühkopf-motor erst ab 1920 erproben, in einen Schlepper einbauen und weiterentwickeln. Die wirtschaftliche Lage nach dem Ersten Weltkrieg in Deutschland ist schwierig, auch für die Firma Lanz. Es kommt zu einer galoppierenden Inflation. Die Nahrungsmittel sind knapp, und die Menschen hungern und frieren. Viele wandern in dieser Zeit nach Amerika aus. Zwar bietet Lanz schon seit 1912 seinen „Landbaumotor“  an. Mit einem Gewicht von 5 Tonnen und Antriebsrädern von zwei Meter Durchmesser  ist er jedoch für kleine Bauernhöfe zu groß, zu schwer und zudem viel zu teuer. Doch der besonders nach dem Krieg bestehende Arbeitskräftemangel erfordert eine  Motorisierung der Landwirtschaft.

Die von den kleinen Höfen benötigten Schlepper müssen klein und robust, einfach zu bedienen und leicht zu warten und reparieren sein.  Huber ist davon überzeugt, dass sich hierfür  nur Schlepper mit einzylindrigen Glühkopfmotoren eignen. Er prägt das Motto:  „Der Motor des Bauern kann gar nicht einzylindrig genug sein“.

Einzylinder-Motoren haben eine kompaktere und einfachere Bauweise sowie auch ein geringeres Motorengewicht als Mehrzylindermotoren. Und Glühkopfmotoren haben den Vorteil, dass sie genügsam sind und nicht nur mit Dieselkraftstoffen oder Benzin betrieben werden können, sondern auch mit billigen Stoffen wie Paraffin, Tran, Pflanzenölen, Petroleum, Spiritus und sogar mit Rohöl. Diese Kraftstoffgleichgültigkeit, wie es Huber nennt, bedeutet einen unglaublichen Vorteil vor allem in den Jahren nach dem 1. Weltkrieg als es kaum Diesel oder Benzin gibt.

Zunächst dient der Ortsbulldog wie der von Pferden gezogene Gespannbulldog  mit einer Deichsel als preiswerter Ersatz für Lokomobile dazu,  zum Beispiel Dreschmaschinen oder Sägen anzutreiben. Aber schon im Januar 1921 kann Huber im Fabrikhof von Lanz der staunenden Presse den ersten Rohölschlepper der Welt vorführen. Bevor jedoch der kalte Glühkopfmotor gestartet werden kann, muss die Zündnase am Glühkopf mit einer Lötlampe auf ca. 700-800 ° C vorgewärmt werden. Dann wird der Kraftstoff mit der Hand eingespritzt und mit dem zu diesem Zweck abgenommenen Lenkrad das Schwungrad entgegen der Drehrichtung angeworfen.

Auf einen Rückwärtsgang verzichtet Huber. Zum Rückwärtsfahren wird die Drehrichtung des Motors gewechselt. Bei diesem Umsteuern muss die Drehzahl bis kurz vor Stillstand des Motors verringert und dann mit viel Übung und Geschick im entscheidenden  Augenblick Gas geben werden. Die dabei ausgelöste Frühzündung wirft den Motor im Kompressionstakt zurück, und er läuft in entgegengesetzter Richtung weiter. Als Bremse dienen einfache Holzklötze, die über Spindeln auf die Hinterräder gepresst werden.

Auf der Ausstellung der Landwirtschaftsgesellschaft in Leipzig im Juni 1921 präsentiert die Firma Lanz stolz als Weltneuheit den Rohölschlepper, den 12 PS Bulldog HL. Wegen seines gedrungenen Aussehens, der Form seines Zylinderkopfes mit den wie Augen aussehenden Entlüftungslöchern und nicht zuletzt wegen seiner Robustheit wird er liebevoll "Bulldog" genannt.

Im Jahr 1923 kommt der Ackerbulldog HP „Peter“ mit 15 PS und Allradantrieb auf den Markt. Mit seinen großen eisernen Vorder- und kleinen Hinterrädern und seiner geringen Breite kann er sogar im Weinberg verwendet werden. Speziell für den Acker wird 1923 der „Felddank“ gebaut. Als preiswerte Alternative wird noch im gleichen Jahr der kleine Bruder des 12 PS Bulldogs der „Mops“ mit nur 8 PS angeboten, von dem aber bis 1925 nur 250 Stück gebaut werden. Infolge der nach dem Krieg darniederliegenden Wirtschaft können sich viele Landwirte selbst diesen kleinen Bulldog nicht leisten.

Vielen Kunden wird bis nach der Ernte Zahlungsaufschub gewährt. Aber die dadurch entstehenden hohen Außenstände sowie auch die Inflation führen bei Lanz schließlich zu einem Liquiditätsengpass. Unter der Bedingung, dass das Unternehmen in eine Aktiengesellschaft umgewandelt wird, gewährt die deutsche Bank dem Unternehmen einen Kredit.

Zur Demonstration der Leistungsfähigkeit des unverwüstlichen Bulldogs startet die Firma Lanz  am 10. November 1924 eine Dauerprüfungsfahrt nach Berlin. Die am Heinrich Lanz Denkmal gestarteten Bulldogs erreichen nach insgesamt fast 400 Stunden am 27. November ohne Panne oder Unfall die Siegssäule..

Unter Hubers Leitung werden noch zahlreiche weitere universell einsetzbare Bulldog-Motoren für unterschiedliche Anwendungsbereiche konstruiert. Allen gemeinsam ist nicht nur ihre Sparsamkeit, sondern auch ihre vielseitige Verwendbarkeit als Ackerschlepper, als Zugmaschine und - mit einer  kuppelbaren Riemenscheibe ausgestattet-  auch als stationärer Antrieb für zahlreiche Zusatzgeräte wie Mahlwerk, Ballenpresse, Dreschmaschine, Feldhäcksler, Wasserpumpe, Kreissäge usw. Postkarten mit lustigen Reimen werben für den Bulldog. So wird gereimt „ Das alles tut der Bulldog willig und dabei ist der Bulldog billig. Er schafft aufs Wort zu jeder Frist,  Gemeines Oel sein Fressen ist. Zwar lässt er, was der Mensch nicht soll, sich schmieren, doch nicht anspruchsvoll.“

Mit dem HR 2 Großbulldog entwickelt Huber im Jahre 1926 einen Bulldog mit einer Dauerleistung von 28 PS für Großbetriebe. Der HR ist wieder sowohl in Ackerausführung mit Eisenrädern als auch als Verkehrsbulldog mit Zwillingsbereifung  erhältlich,  und er verfügt sogar über eine Vorrichtung, mit der vor die Hinterräder Sand gestreut werden kann. Er ist der erste Bulldog, der nach dem Vorbild von Ford auf einem Montageband gefertigt wird. Damit können täglich 18 Bulldogs kostengünstig produziert werden. Das 175 Meter lange Fließband ist übrigens das Erste in Deutschland. 1928 folgt mit dem HR 4 der erste mit Thermosyphon-Kühlung ausgestattete Bulldog. Diese wassersparende Kühlungsweise nutzt die natürliche Konvektion: heißes Wasser steigt nach oben und kühles nach unten. Eine Pumpe wird nicht gebraucht. Der HR 5 von 1929 verfügt erstmals über ein Getriebe mit einem Rückwärtsgang. Ebenso der ab 1932 produzierte „Kühlerbulldog“ genannte Typ HN 1.

Ab 1929 werden die Bulldogs mit luftbereiften Rädern der Firma Continental ausgestattet und können nun sowohl auf dem Acker als auch auf der Straße gefahren werden, ohne dass die Eisenräder nach dem Einsatz auf dem Acker zeitintensiv gegen Gummireifen für den Transport auf der Straße getauscht werden müssen. Zudem erlaubt es nun die Luftbereifung, die Geschwindigkeit der bislang nur mit 6 km/h fahrenden Schlepper zu verdreifachen. 

Als die Süddeutsche Bank 1931 die Aktienmehrheit übernimmt, wird die Firma Teil des Röchling-Konzerns und die Familie Lanz scheidet aus dem Unternehmen aus. Helene, die älteste Tochter von Heinrich Lanz, hatte im März 1885 August Röchling geheiratet.

Als die Süddeutsche Bank 1931 die Aktienmehrheit übernimmt, wird die Firma Teil des Röchling-Konzerns und die Familie Lanz scheidet aus dem Unternehmen aus. Helene, die älteste Tochter von Heinrich Lanz, hatte im März 1885 August Röchling geheiratet.

Aber Huber bleibt dem Unternehmen treu und wird im Jahre 1935 dessen Direktor. 1939 gelingt ihm die Entwicklung des "Bauern-Bulldog" genannten 15 PS-Leichtschleppers mit elektrischem Anlasser.

Als Dr. Fritz Huber am 14. April 1942 in Mannheim an einem Gallenleiden stirbt, ist Lanz der größte deutsche Landmaschinenhersteller. In seinem Todesjahr wird in Mannheim der 100.000ste Bulldog ausgeliefert. Die Produktion der Bulldogs geht auch nach Hubers Tod weiter, wenn auch infolge der kriegsbedingten  Brennstoffknappheit nur mit Holzvergaser-Antrieb. Dr. Huber bleibt es erspart zu erleben, wie die Luftangriffe das Werk im 2. Weltkrieg in ein Trümmerfeld verwandeln.

Zwar beginnt man schon im Sommer 1945 mit dem Wiederaufbau. Doch dieser gestaltet sich  wegen der großen Schäden und des knappen Baumaterials recht mühevoll. Und so kann erst 1950 ein neuer 16 PS Bulldog als Nachfolger des 15 PS Bauern-Bulldogs vorgestellt werden. Doch an die alten Erfolge kann Lanz nicht mehr anknüpfen. Die Absatzgebiete im Osten sind verloren, der Inlandsabsatz schrumpft, und eine hohe Steuernachforderung braucht die Liquidität vollends auf.

Dennoch erwarten die Aktionäre ihre Dividende, die zunächst aus der Substanz bezahlt wird und zwei  Jahre später aus dem Verkaufserlös der Grundstücke, auf denen einst das Luftschiff  "Schütte-Lanz" gebaut wurde.

Um eine kontinuierliche Beschäftigung aufrecht zu erhalten, läuft die Fertigung trotz aller Widrigkeiten weiter. Dann aber stauen sich die über zwei Monate hinweg nicht verkauften Schlepper in den Lagerhallen und sogar im Werkshof. Der Wert der Lanz-Aktie sinkt, und schließlich verkauft die Süddeutsche Bank als größte Aktionärin im Jahre 1956 ihr Aktienpaket nach langwierigen Verhandlungen an die Firma „Deere & Company Moline” in Illinois, die schon vier Jahre zuvor ihr Interesse an Lanz bekundet hatte. Durch weitere Zukäufe verfügt John Deere bald über die Aktienmehrheit.

Heinrich Lanz hatte im Jahre 1902 die Landmaschinenfabrik John Deere in Illinois besucht und dabei Charles Deere, den Sohn des 1886 verstorbenen  Firmengründers John Deere kennengelernt. Der 1804 in Vermont geborene John Deere war ein typisch amerikanischer Selfmademan. Von seiner Mutter nach dem frühen Tod des Vaters allein erzogen,  ist er  wegen seines handwerklichen Geschicks und seines Ideenreichtums schon als junger Schmied sehr erfolgreich. Nachdem er 1837 einen selbstreinigenden Stahlpflug entwickelt hatte, machte er sich in Illinois selbstständig und gründete das Unternehmen, das noch heute seinen Namen trägt.

Mit der Übernahme durch John Deere endet im Jahr 1956 die ruhmreiche Ära des Traditionsunternehmens Lanz. Die Vorbehalte gegen die amerikanische Firma sind zunächst groß. So schreibt die „Deutsche Bauernzeitung“ „wir vermögen keineswegs einen Idealzustand darin zu erblicken, dass eine Firma von der Bedeutung und Tradition des Hauses Lanz, die einmal als die größte Landmaschinen- und Schlepperfabrik Europas galt, in Zukunft ihre Anweisungen aus den USA erhalten wird.“ Tatsächlich verlangt die Umstellung der Belegschaft einiges ab. Aber die neue „John-Deere-Lanz AG“, wie die Firma seit 1960 heißt, bietet eine Zukunftsperspektive. Ohne die Übernahme hätte Lanz Konkurs anmelden müssen, und es gäbe heute in Mannheim wahrscheinlich keine Landmaschinenfabrik mehr.

Die Amerikaner investieren hohe Summen in das Werk und bauen es zum europäischen Hauptsitz aus, von wo aus sie neben den Lanz-Produkten vor allem ihre eigenen Landmaschinen vertreiben.

Als im Jahre 1960 die Produktion der Bulldogs endgültig eingestellt wird, haben insgesamt fast 220.000 Bulldogs das Werk verlassen. Und auch die traditionell blau-rote Farbe der Lanz Produkte verschwindet. Die Firmenfarbe von John Deere ist grün für das Fahrzeug und gelb für Felgen und Aufschrift. 1967 wird der Firmennamen in "John Deere Werke Mannheim,  Zweigniederlassung der Deere & Company" geändert.

Heute sind alle froh mit John Deere, den weltgrößten Landtechnikhersteller in Mannheim zu haben. Das Mannheimer Traktoren-Werk ist John Deeres größte Fabrik außerhalb der USA. Von hier werden Traktoren in über 100 Länder exportiert. Und natürlich wurde der Traktor mit vielen Innovationen inzwischen zu einem Hightech-Gerät weiter entwickelt, das per GPS-Steuerung Präzisionslandwirtschaft ermöglicht. In diesem Jahr stellt John Deere sogar einen vollautonomen Traktor vor. Dieser kann per Smartphone, Tablet oder Computer programmiert und auch aus der Ferne überwacht werden.

Aber der legendäre, genial einfach konstruierte und unverwüstliche Bulldog ist zum Synonym für Traktoren geworden. Seine Vielseitigkeit bereitete den Weg zur Mechanisierung der Landwirtschaft. Heinrich Lanz schaut noch heute von seinem Denkmal auf das Werksgelände und wahrscheinlich gefällt ihm, was er sieht.

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